Weihnachten im hr-Teletext

Wer sich am zweiten Weihnachtsfeiertag in den Teletext des hr verirrte, staunte nicht schlecht. Allenthalben tun Kirchenmänner ihre Sicht der Dinge kund und man fragt sich, ob man eigentlich im falschen Film gelandet ist.

Der erste Platz im Panoptikum der kirchlichen Kuriositäten gebührt ganz klar dem Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, der – man glaubt es kaum – dazu aufruft, bei der Wahrheit keine Kompromisse einzugehen, denn „Wahrheit sei verwirklichte Gottes- und Nächstenliebe“. Sehr interessante Einstellung, über die er vielleicht vor allem mal mit seinen Kollegen reden sollte, zum Beispiel wenn es um die Vertuschung von jahrzehntelangem Missbrauch in der katholischen Kirche geht. Aber vielleicht ist seine Predigt ja auch eher eine versteckte Botschaft an die Bischofskonferenz. Schön wär’s …

Ganz so weit wie Kohlgraf möchte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung bei seiner Predigt in Darmstadt nicht gehen. Er setzt auf respekt- und liebevollen Umgang und erwähnt in dem Zusammenhang auch die Erlebnisse früherer Heimkinder und die Opfer sexueller Gewalt. Man möchte sich kurz schütteln ob der Bilder, die unwillkürlich beim Wort „liebevoll“ aufsteigen. 

Auf Nummer Sicher hingegen geht der kurhessische Bischof Hein in Kassel. Er befindet ebenso absolut wie argumentativ unscharf: „Frieden ist möglich, weil Gott ihn will.“ Welche Rolle Religion bei Kriegen und Gewalt weltweit spielte und spielt, darauf geht er leider nicht ein. Alles in allem lässt das einen eher unbefriedigt zurück.

Ein bisschen kämpferischer gibt sich der Limburger Bischoff Bätzing, der die Christen dazu aufruft, „trotz Widerständen mutig zu ihrer Überzeugung zu stehen“. Klingt ein bisschen nach dem letzten Gefecht. Angesichts der sinkenden Mitgliederzahlen der Kirchen kann man ihn aber irgendwie auch verstehen.

Geradezu radikal erscheint der Fuldaer Weihbischof Karlheinz Diez. Er sieht in der Geburt Jesu in einem Stall doch tatsächlich so eine Art Kritik an den Herrschenden und Mächtigen. Um es mal mit Goethe zu sagen: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Denn wie glaubhaft ist es, – der Papst schlug ja jüngst in dieselbe Kerbe – wenn ein Finanzimperium wie die katholische Kirche das Lob der Enthaltsamkeit singt? Aber Orwell’sche Logik war ja schon immer eine Stärke der Kirche.