Frage 10: Wie unterscheiden Menschen gut von böse, wenn uns Gott dies nicht tief in unsere Seele geschrieben hat?

Doktor Pepper

Ich denke, dass die Fähigkeit des Menschen, moralische Entscheidungen zu treffen, einerseits durch die Evolution (nature) angelegt ist. Grundlagen von Moral, wie Empathie, ein Gerechtigkeitsempfinden und Altruismus finden sich auch bei Tieren, vor allem bei Primaten. Das bedeutet, das Moral auf individueller Ebene, und wahrscheinlich auch auf Gruppenebene, ein evolutionärer Vorteil gewesen sein muss.

Darüber hinaus wird das moralische Empfinden aber auch massiv durch die Kultur der Gruppe, in die wir hineingeboren werden, geformt (nurture). Dies kann man sehr gut daran sehen, wir wir Gewalt beurteilen. Vor 500 Jahren waren Folter, grausame Hinrichtungsarten und Hexenverbrennungen normal. Sklaven, Frauen, Kinder und Tiere konnten fast nach Belieben misshandelt werden. Heute ist das in den meisten Gesellschaften absolut undenkbar. Auch wenn die Moral beim Mensch ein biologisches Fundament hat, wie sie sich ausprägt, ist vom Kontext und auch von individuellen Voraussetzungen des einzelnen Menschen, seinen genetischen und epigenetischen Eigenschaften, abhängig. So lassen sich z.B. bei Psychopathen Veränderungen in bestimmten Hirnarealen nachweisen, deren Funktionieren für moralisches Verhalten erforderlich sind. So kommt man von der Frage der Moral zur Frage des freien Willens, den ja bereits Kant angezweifelt hat.

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F.M. Waldstein

Gut und Böse gibt es nicht, das sind Konzepte, die von Menschen geschaffen wurden. Was gut oder böse ist, entscheiden Menschen für sich selber basierend auf ihrer Sozialisation / Erziehung und ihres Umfeldes. Meiner Erfahrung nach können Menschen Gut und Böse nicht verlässlich unterscheiden, gerade weil jeder seine eigenen Version dieser Konzepte hat.

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Rainer Wein

Ganz tief in die Seele eingeschrieben ist „gut“ und „böse“ ganz und gar nicht. Dafür haben wir uns in der Geschichte als viel zu moralisch anpassungsfähig gezeigt an völlig unterschiedliche kulturelle Umgebungen und völlig unterschiedliche moralische Vorstellungen entwickelt. Das Gegenteil ist der Fall: wir waren eine Spezies, die Menschenopfer und Sklaverei für normal erachtet hat. Wir wurden aber im Laufe der kulturellen Entwicklung ethisch klüger und erweitern unseren ethischen Horizont, versuchen z.B. auch mehr Gerechtigkeit für für alle zu gewährleisten, beseitigen z.B. die Unterdrückung der Frau, überwinden Sklaverei und Rassismus, sehen auch Eingeborene in entlegensten Teilen der Welt mit primitiver Religion als gleichberechtigte Menschen. Dieser Fortschritt setzt sich gegen die Kirche und ihre heiligen Texte durch, vor allem die Gleichstellung der Frau musste sich im Widerstand gegen religiöses Denken durchgesetzt werden. Unsere freiheitliche Gesellschaft hat sich sehr wohl als lernfähig erwiesen, immer wieder ethisch dazuzulernen. Homosexualität ist nicht böse – auch wenn die Religiösen das behaupten.

Was den ethischen Fortschritt bewirkt ist die Aufklärung: die Feststellung des eigenständigen Wertes jeden Individuums, basierend auf unserem Verstand und unserem Mitgefühl – gegen kollektivistische Gruppen, die Selbstbestimmungsrechte des Individuums begrenzen und den Einzeln auf die Gruppenziele einschwören wollen. Nur weil wir im Geiste der Aufklärung unseren Verstand und unser einzigartiges, individuelles Bewusstsein als etwas begreifen, was wir alle haben, sehen wir ein, dass die Menschenrechte, die wir errungen haben, im Prinzip auch allen anderen Menschen auf der Welt zustehen. Und weil wir mitfühlende Wesen sind, führt die rationale Erkenntnis der Gleichwertigkeit dazu, dass wir nicht mehr gleichgültig hinnehmen, wenn Unrecht geschieht, sondern die Welt verbessern wollen, Gutes mehren und vermeidbares Böses, auch das Anderen geschieht, abwenden wollen. Vielleicht denken wir dabei manchmal sogar zu utopistisch.

Religiöses Denken verhindert oft ethischen Fortschritt. Wenn wir auf dem Stand der Bibel oder des Korans stehen geblieben wären, dann hätten wir die kulturellen Bedingungen der Entstehungszeit dieser Religionen bis heute konserviert. Wer sich als an Religion orientiert was die Moral anbetrifft, der redet einer kulturellen Zeitmaschine das Wort. Und orientiert sich an Göttern, die typischerweise die männlichen Exemplare der Gläubigen dieser Religion als die einzig wirklich vollwertigen Menschen ansieht, die Menschen anderer Religion und Frauen sind außen vor. Das ist die Konsequenz des Monotheismus der abrahamitischen Religionen, wie er von männlichen Klerikern erfunden wurde.

Wie sehr unsere Regeln von eigenen ethischen Standards abhängen, zeigt das sog. Eutyphron-Dilemma, das auf Platon zurückgeht. In der modernen atheistischen Fassung führen die Behauptungen des Gläubigen gegenüber dem Atheisten, dass einerseits Gottes Gebote gut seien, weil sie von Gott ausgehen und andrerseits Gott nichts Inhumanes wie Sklaven zu halten von uns fordern würde, dazu, dass der Gläubige eigentlich eingestehen müsste, dass er selbst den Kompass in der Hand hält, den er an Gott anlegt und den er nur auf ihn projiziert.

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    Friendly Atheist

    Ich kann mir umgekehrt nicht vorstellen, dass die Gesetzte von einem Gott stammen, der sie Moses auf dem Berg geben hat. Die Israeliten hätten nicht 40 Jahre in der Wüste überlebt, wenn sie sich permanent gegenseitig ermordet und beraubt hätten. Auch die Ägypter mit den „falschen Göttern“ – vor denen die Israeliten geflohen sind – werden sich kaum gegenseitig die Kinder weggegessen haben, währen sie ihre Hochkultur entwickelt haben. Selbst etwas höher entwickelte Tiere zeigen ein hohes Maß dessen, was wir als „moralisches Verhalten“ bezeichnen: Sie behandeln andere Tiere gerecht und leiden, wenn ihre Artgenossen leiden. Das ist evolutionär sinnvoll. Und so ist das auch bei Menschen. Die Menschengruppen, die ihre Verletzten nicht gepflegt haben, ihre Kinder nicht zusammen beschützt haben und sich nicht um Schwächere in ihrer kleinen Gesellschaft gekümmert haben, waren mit geringerer Wahrscheinlichkeit überlebensfähig.

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    Kasimir Blaumilch

    Die Frage geht davon aus, dass über alle Zeiten und Kulturen Gut und Böse eindeutig definiert sind und quasi Teil unserer DNA sind. Das widerspricht jeder Lebenserfahrung. Kulturen ändern ihre Bewertungen je nach Randbedingungen sogar relativ kurzfristig, so dass das Überleben der Art gesichert ist. Sehr problematisch ist der zweite Teil des Satzes: Es haben keine Götter irgendwelche heiligen Schriften verfasst, sondern Menschen. Ähnlich dürfte sich das mit „in die Seele“ schreiben verhalten. Die Bedingungslosigkeit von Glauben ist eine Steilvorlage für Mächtige, sich dieser Menschen für ihre Zwecke zu bedienen.

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    Frage 9
    Kannst Du Dir wirklich vorstellen, dass die Menschen von Affen abstammen?
    Frage 11
    Was denkst Du denn, warum so viele Dinge (Heilungen, Rettungen, Naturphänomene) passieren, die sich auch die Wissenschaft nicht erklären kann?

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