Ein Vortragsabend mit Dr. Dr. Sebastian Schnelle
Was haben Rechtsextremismus und Islamischer Fundamentalismus gemeinsam? Auf den ersten Blick scheinbar nicht viel. Auf den zweiten so einiges, vor allem ihre Ablehnung der offenen Gesellschaft.
Dies war das Thema eines spannenden Vortrags am Freitag, den 25. Oktober 2024, in Frankfurt veranstaltet vom HVD Frankfurt/Gießen. Souverän und kompetent führte Dr. Dr. Sebastian Schnelle – er ist in Physik und in Philosophie promoviert -, durch die historische Entwicklung dieser Strömungen, deren Beginn über 100 Jahre zurückreicht. Mit dem radikalen Bruch, der auf den ersten Weltkrieg folgte, und dem Zusammenbruch von bis dahin für stabil gehaltenen politischen und gesellschaftlichen Strukturen, gingen viele Sicherheiten verloren – im Westen ebenso wie in der islamischen Welt. Beiden gemeinsam ist bis heute die Suche nach einer einfachen Alternative zur offenen Gesellschaft in Form geschlossener Denksysteme, welche die Gruppe und ihr Dogma über das Individuum stellen. Liberalismus, Parlamentarismus und die Werte der Aufklärung werden abgelehnt zugunsten einer kollektiven Identität.
Angefangen bei Helena Blavatsky und den okkulten Strömungen Ende des 19. Jahrhunderts über die „Konservative Revolution“ in der Zeit zwischen den Weltkriegen bis hin zum Ethnopluralismus der so genannten Neuen Rechten, zeigte Sebastian Schnelle anhand ausgewählter Personen und Zitate die historischen Zusammenhänge auf. Wie der Rechtsextremismus ist auch der Islamistische Fundamentalismus keine Erfindung unserer Zeit, sondern entspringt ähnlichen zeitgeistlichen Strömungen. Beide eint der Wunsch, zu einer Gesellschaftsform basierend auf traditionellen Werten zurückzukehren, die von der Moderne mit ihrem Fokus auf dem Individuum und dem skeptischen, wissenschaftlichen Denken „zerstört“ wurde.
In Anschluss an den Vortrag hatten die rund 30 Besucherinnen und Besucher Gelegenheit, Fragen zu stellen. Dabei wurde klar: Es gibt keine Patentrezepte, um diesen Bedrohungen der offenen Gesellschaft zu begegnen. Doch die positive Nachricht ist: Die Anhänger dieser Strömungen machen kein Geheimnis aus ihren Gedankengängen und Strategien. Im Gegenteil, diese werden in einschlägigen Medien und Foren offen kommuniziert. Man muss sich allerdings die Mühe machen, sich damit zu befassen. Eine Beschäftigung die, wie Sebastian Schnelle meint, nicht unbedingt ein Vergnügen ist, aber unerlässlich, um die offene Gesellschaft wirkungsvoll gegen ihre Feinde zu verteidigen.