Liebe Schwestern und Brüder!

Beim Kirchentag Anfang Juni in Nürnberg sind die Besucherzahlen weit unter den Erwartungen geblieben, dennoch lief ein prominenter Besucher wieder mal zur Hochform auf.

„Ich freue mich, Euch alle wieder zu sehen, Euch zu begegnen. Endlich! Endlich ist wieder Kirchentagszeit.“

„Ja, dieser Krieg stürzt uns Christen in ein tiefes Dilemma. Ich weiß, wie aufrichtig und leidenschaftlich Ihr das diskutiert.“

„…liebe Schwestern und Brüder!… den Gesprächsort Kirche, den brauchen wir jetzt und auch in Zukunft dringend.“

Diese Sätze sind nicht etwa Manuskripten von Margot Käßmann oder einem der leitenden theologischen Angestellten der Evangelische Kirche entnommen. Sie wurden vom amtierenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier anlässlich der Eröffnung des Evangelischen Kirchentages in Nürnberg am 7. Juni 2023 vorgetragen.

Screenshot der Webseite des Bundespräsidenten. Auf der Seite ist die Rede zu lesen und ein Foto zeigt Steinmeier bei seiner Eröffnungsrede. Um den Hals trägt er den Schal des Kirchentags.
Ein Bundespräsident zum Anfassen, wenn auch nur für 20% der Deutschen.

Auch im weiteren Verlauf der Rede war nicht zu erkennen, dass hier ein deutsches Staatsoberhaupt als Gast auf einer Veranstaltung einer Religionsgemeinschaft spricht, der rund 80 % der Bevölkerung nicht mehr angehören. Vielmehr konnte man den Eindruck gewinnen, dass hier ein Abgesandter der Kirche von seinem Job in der Diaspora mal kurz zu Besuch nach Hause kommt:

„Ich weiß aber auch, welche Bedeutung die Kirche nach wie vor hat in unserer Gesellschaft. (…) Und gerade hier finden Menschen – Junge und Alte, Frauen und Männer, Großstädter und Landbewohner – Mut und Hoffnung, die Zuversicht des Handelns: Sie finden Kraft im Glauben und in der Begegnung im Glauben.“

Einen Tag später konnte man dann im Rahmen einer Bibelarbeit zusammen mit dem Bundespräsidenten „die gemeinsamen Grundlagen der Religionen erkunden.“ Die Option „Konfessionsfreiheit“ war bei der wertemäßigen Grundlagenforschung nicht vorgesehen.

Das Bundesverfassungsgericht ist der Auffassung, „dass der Bundespräsident eine gewisse Distanz zu Zielen und Aktivitäten von politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen wahre[n soll].“ (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Juni 2014 – 2 BvE 2/09, 2 BvE 2/10.“ So zu lesen auf der Internetseite des Bundespräsidenten.

Ob diese Auftritte des Bundespräsidenten Steinmeier noch die geforderte Distanz in diesem Fall zur Evangelischen Kirche aufweisen, ist auch deshalb fraglich, weil das einstige Super-Event Kirchentag stark an Bedeutung verloren hat. Waren es zu den besten Zeiten noch fast eine Viertelmillion Besucher, lösten in Nürnberg gerade mal rund 70.000 Menschen Tages- und Dauerkarten. Dennoch wurde die Veranstaltung mit etwa 9,5 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln bezuschusst – das sind rechnerisch mehr als 135 Euro pro Teilnehmer.