Bundespräsident Steinmeier fühlt sich beim Verfassungsbruch nicht zuständig
Im Februar 2019 war im Rahmen der Feiern zum 100jährigen Jubiläum der Weimarer Verfassung auch ein ökumenischer Gottesdienst Bestandteil des offiziellen Programms. Dies ist vor dem Hintergrund der in der bundesdeutschen Verfassung festgelegten Trennung von Staat und Kirche einigermaßen erstaunlich. Es ist nicht erkennbar, dass irgendeine Religionsgemeinschaft sich Verdienste beim Zustandekommen dieser freiheitlich-demokratischen Verfassung erworben hat. Im Gegenteil, vor allem die christlichen Kirchen haben eine pluralistische Gesellschaftsordnung immer wieder zu verhindern versucht, wie unter anderem am Verhalten der Amtskirchen im Nationalsozialismus deutlich wurde.
Das 100jährige Jubiläum der Weimarer Verfassung erinnert allerdings an einen Punkt, der die Kirchen sehr wohl betrifft: Denn seit ihrem Inkrafttreten obliegt den politisch Verantwortlichen (Bund und Ländern) die Aufgabe, die sogenannten Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen (Art. 138 WRV, übernommen in Art. 140 GG). Seit 100 Jahren ist dieser Verfassungsauftrag nicht erfüllt.
Auf Nachfrage beim Bundespräsidialamt, welche Inititiaven sich der Bundespräsident vorstellen kann, um den hinsichtlich der Staatstleistungen verfassungswidrigen Zustand zu beenden, antwortet Professor Dr. Stefan Pieper (Leiter Referat Verfassung und Recht, Justitiariat), dass „das Wertkonzept des Grundgesetzes (…) auf dem Fundament christlicher Glaubensgrundsätze steht“, und führt als Beispiele Religionsunterricht und arbeitsfreie Sonntage an. – Nochmal zum Mitschreiben: Religionsunterricht und arbeitsfreie Sonntage sind nach Auffassung unseres aktuellen Bundespräsidenten Fundamente unserer Verfassung.
Wir hoffen indes, dass unser Grundgesetz stärkere Fundamente hat: Die Teilnahme am Religionsunterricht ist freiwillig ist (Artikel 7) und doch wohl eher ein Privileg der Kirchen als ein Wertefundament. Und arbeitsfreie Sonntage gibt es auch in Nordkorea, völlig ohne kirchlichen Einfluss.
Das Wertkonzept des Grundgesetzes steht auf dem Fundament christlicher Glaubensgrundsätze.
Dr. Stefan Pieper, Bundespräsidialamt
Die Verfassung wurde nicht mit, sondern gegen die Kirchen durchgesetzt, schließlich benötigen die Kirchen bis heute Ausnahmeregelungen (z.B. im Arbeitsrecht), um nicht gegen die Verfassung zu verstoßen.
Übrigens haben als einzige europäische Staaten das diktatorisch regierte Weißrussland und der Vatikan bis heute die Europäische Menschenrechtskonvention nicht unterzeichnet. Und der Vatikan wird es wegen seiner Haltungen z.B. zu Gleichberechtigung oder Religionsfreiheit auch nicht können.
Auch in punkto Beschneidung und Homosexualität stehen die christlichen Kirchen im Widerspruch zum Grundgesetz (z.B. Artikel – ganz oder in Teilen – 2, 3, 4, 7 und 12), siehe Anhang.
Professor Pieper lässt uns weiterhin wissen, dass dem Bundespräsidenten das Recht auf Gesetzesinitiative nicht zusteht. Das mag formaljuristisch richtig sein, aber politisch Verantwortlichen daran erinnern und zum Handeln aufzufordern, das darf man als Bundespräsident schon, gell? – Vor allem, wenn die Verfassung gerade mit Gottesdiensten feiert.
Dass bei Bundespräsident Steinmeier sagen wir mal eine gewisse thematische Schieflage zugunsten gerade der Evangelischen Kirche zu beobachten ist, zeigt die folgende Bilderstrecke – übrigens: auf www.evangelisch.de erhält beim Suchbegriff „Steinmeier“ 1213 Ergebnisse, bei der Suche nach „Menschenrechte“ dagegen nur 359.
Steinmeier im Dienste der Kirche – ein paar Beispiele:
Tagesspiegel, 16.10.2017: „Anlass des Besuchs ist das Reformationsjubiläum, zu dem die russische Regierung die Moskauer Kathedrale St. Peter und Paul an die evangelisch-lutherische Kirche Russlands zurückgibt. Steinmeier hatte sich in seiner Funktion als Außenminister gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für die Rückgabe der Kirche eingesetzt.“
Ein deutscher Bundespräsident macht eine offizielle Reise und damit die Beziehungen zu anderen Ländern abhängig von innerkirchlichen Angelegenheiten??
Die Wahl des Bundespräsidenten – die Schwere der Last, auf dem Wahlzettel ein Kreuzchen zu machen, ist scheinbar nur mit Gottes Hilfe zu ertragen.
Hat hier Rosamunde Pilcher bei der Formulierung geholfen?
https://www.evangelisch.de/inhalte/140219/15-11-2016/kaessmann-nennt-steinmeier-kandidatur-wunderbar
Da dürften die Sektkorken geknallt haben – statt Kirchentags- wird Steinmeier nun Bundespräsident: „Der Kirchentag freut sich, dass Frank-Walter Steinmeier, den auch wir mit seiner Wahl zum Kirchentagspräsidenten 2019 als herausragende Persönlichkeit sehen, für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen werden soll“, sagte Kirchentagssprecherin Sirkka Jendis am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd).