Neulich beim hessenschau-Abendbrot-Ritual mussten wir feststellen, dass auch auf diese Redaktion kirchenseitig nicht mehr Verlass ist. Denn der Bericht über das Kloster Frauenberg erwies sich als ungewohnt kirchenkritisch – wenn auch mit nur halb und auch nur ganz kurz ausgefahrenen Krallen und mit viel Feelgood-Emotionen glasiert).
„Seit über 1.200 Jahren thront über Fulda das Kloster auf dem Frauenberg. Heute arbeiten dort auch Menschen mit Behinderung. Doch nun droht dem Vorzeigebetrieb das Aus, es fehlt an Geld.“
So leitet die hessenschau den 3-minütigen Beitrag über das Fuldaer Kloster ein. Los geht es mit der Vorstellung eines der Mitarbeiter im Klostercafé „Flora“, der laut Beitragssprecher „unter frühkindlichem Autismus leidet“ * und sich nun aber sehr gut in den Betrieb eingefügt hat. Man erfährt, dass es im Kloster neben dem Café noch eine Konditorei sowie eine Schneiderei gibt, in denen Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten. Betriebsleiter Philipp Krah betont die Einzigartigkeit des Projektes und findet eher allgemein, „das muss so beibehalten werden“. Pater Cornelius Bohl, Guardian des Klosters und Provinzialmeister der Deutschen Franziskaner-Provinz, wird deutlicher: Das Kloster sei eine Überforderung für die Ordensbrüder und auch für die Bürgerstiftung „antonius : gemeinsam mensch“, die das Inklusionsprojekt mit den Franziskanern ins Leben gerufen hat, und „letztendlich ein Problem für die Diözese Fulda, für den Bischoff, dem das gehört.“
So ein Haus, so schön es ist, ist auch ein finanzielles Problem.
Pater Cornelius Bohl
Denn beim Frauenberg kommt eine Besonderheit ins Spiel: Dem Bistum Fulda gehören zwar Grundstück, Kirche und Kloster, die Baulast jedoch, also der Erhalt der Gebäude liegt bei den Franziskanern. Laut einem Gutachten sind das 500.000 Euro jährlich. Man ahnt: Für neun nicht mehr ganz junge Brüder ist das kaum zu leisten. Was die hessenschau allerdings nicht erwähnt ist, dass das Kloster Einnahmen aus seinem Betrieb als TagungsKloster, Veranstaltungsort und Hotel hat. Wieviel da reinkommt, wird uns nicht verraten.
Auf die Anfrage der hessenschau, äußert sich das Bistum Fulda, sagen wir mal, zurückhaltend und spricht von „konstruktiven Gesprächen“ und einer „langfristigen und tragfähigen Lösung“. Zum Schluss appelliert Philipp Krah an die Gesellschaft und wünscht sich, „dass sich aus Politik, aus Kirche, aus anderen gesellschaftlichen Teilen Leute bekennen und sagen, wir finden toll, was Ihr hier macht, das ist erhaltenswert.“ Und der Beitrag schließt mit den Worten: „Es brauche dringend weitere Unterstützung, um das Kloster am Frauenberg zu bewahren und um Menschen wie Christoph Auer einen Arbeitsplatz zu bieten.“
Ein Bistum in Geldnöten
Potzblitz, spüren wir da etwa einen Hauch von investigativem Journalismus bei der hessenschau? Man muss zwar sehr genau hinhören und zusätzlich noch ein wenig Hintergrundrecherche betreiben, aber ja, da schwingt so etwas wie Kritik am Bistum Fulda mit. Denn in der Tat fragt man sich am Ende des Beitrags: Wie kann es sein, dass ein Kloster, das dem Bistum Fulda gehört, in solchen Geldnöten ist, dass es dieses Vorzeige-Projekt nicht mehr unterstützen kann?
Nun hat das Bistum nach eigenen Aussagen in den letzten zwei Jahren tatsächlich sparen müssen, weil die Einnahmen (vor allem aus der Kirchensteuer) nicht mehr so zahlreich fließen (angeblich Corona-bedingt, aber wir vermuten noch weitere Ursachen …) Doch trotz der Knappheit der Mittel stünden laut Pressemitteilung auch in Zukunft genug Finanz- und Personal-Ressourcen für sozial-caritative Projekte und den Sendungsauftrag der Kirche zur Verfügung. Sollte also kein Problem sein, ein so gut eingeführtes und zudem von einer Bürgerstiftung unterstütztes Projekt fortzuführen. Mal abgesehen davon, dass die Bistümer in der Regel einiges an Besitztümern in ihren Schatullen haben, die man ggf. auch für den guten Zweck versilbern könnte.
Franziskanisches Leben ist sehr beweglich.
Pater Cornelius Bohl
Sollte sich das Bistum zieren, wird Pater Cornelius auch gerne deutlicher, denn die Franziskaner können auch anders. Mitgliederschwund und steigender Altersdurchschnitt sorgen dafür, dass der Orden neben anderen Niederlassungen auch das Kloster Frauenberg auf den Prüfstand stellt. Will heißen: Vielleicht gibt es dort demnächst gar keine Franziskaner mehr. Pater Cornelius formuliert es so: „Franziskanisches Leben ist sehr beweglich.“ Die Zusammenarbeit mit antonius ist auf zehn Jahre angelegt, fünf sind bereits vergangen. Das heißt, die Stadt Fulda, aber auch das Bistum Fulda müssen tätig werden (in Form von finanzieller Unterstützung), wenn die Franziskaner auf dem Frauenberg bleiben und das Projekt weiterlaufen soll. Rainer Sippel, Stiftungsratsvorsitzender von „antonius : gemeinsam mensch“, schwebt für die langfristige Sicherung eine Trägerstiftung mit Stadt, Landkreis, Bistum und Hochschule vor, die aber noch im Vorstadium stecke. Wir sind gespannt, wie viel dem Bistum das Projekt wert ist.
Weiterführende Informationen:
Kooperation Franziskaner-antonius: Zukunft des Frauenberg-Klosters unsicher
Finanzielle Sorgen: Franziskaner und antonius bangen um die Zukunft des Frauenbergsl
Bistum Fulda muss den Rotstift ansetzen – Defizit im zweistelligen Millionenbereich
* Redaktionelle Anmerkung:
In Sachen Inklusion sollte die hessenschau noch ein bisschen nacharbeiten:
1. Autistinnen und Autisten „leiden“ nicht unter Autismus, das Leiden entsteht, weil sie oft gezwungen sind, sich dem so genannten „neurotypischen“ Verhalten ihrer Umgebung anzupassen.
2. Es wäre schön, wenn es zu den Beiträgen eine Audiodeskription oder wenigstens Untertitel oder ein Transkript gäbe. Dann wäre diese auch für blinde oder gehörlose Menschen wahrnehmbar.