Sternstunde des Kirchen-Lobbyismus

Heute Abend gab es mit der 20-Uhr-Ausgabe der tagesschau mal wieder eine Sternstunde der Kirchenrepublik Deutschland zu bestaunen. Von der knapp sieben Minuten langen Sendung (es musste ja Platz gemacht werden für die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten – warum muss der eigentlich unbedingt was zu Weihnachten sagen? Aber das ist eine andere Baustelle …), also von der 7-minütigen Sendung entfielen satte 3 Minuten und 30 Sekunden (also an die 60 Prozent der Zeit für die inhaltlichen Meldungen, d.h. ohne An- und Abmoderation) auf kirchliche Verlautbarungen. Erst gab’s 1:50 Minuten Papst, dann 1:40 Sekunden Bischoff Franz Jung aus Würzburg und – es lebe der Proporz – die Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland Annette Kurschus aus Bielefeld. Auf Meldungen aus dem Ausland (Drohender Überfall Russlands auf die Ukraine …) entfielen 30 Sekunden, der Start des Weltraumteleskops James Webb, eine hochspannende Mission, war der Tagesschau immerhin 30 Sekunden wert. 

https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts-46415.html

Zur zeitlichen Unausgewogenheit kommt erschwerend hinzu, dass die Verlautbarungen und Forderungen von Papst und Kirchen sich von einem Jahr aufs andere kaum unterscheiden und daher nur sehr begrenzten Informationswert haben. Man sollte meinen, dass das mittlerweile auch die tagesschau-Redakteure gemerkt haben und darf daher getrost annehmen, dass wir hier mal wieder Zeuge des hervorragenden kirchlichen Lobbyismus geworden sind. Weihnachten ist nun mal traditionell Kirchenzeit. Als Moral- und Ethik-Spezialisten reden uns die Kirchenvertreter:innen dekorativ vorm Tannenbaum platziert mahnend ins Gewissen. Und Medien wie die tagesschau halten das ernsthaft für so relevant, dass sie ihre Hauptausgabe zur Hälfte mit unhinterfragten Verlautbarungen dieser Tendenzbetriebe füllen. Zumindest für den Journalismus war das keine Sternstunde.