Alle Jahre wieder erinnern manche Medien gern zum Jahresende an den ersten Flug zum Mond im Jahr 1968, bekannt unter dem Namen „Apollo 8“. Die Mission war am 21. Dezember gestartet, am 24. Dezember befand sie sich in der Mondumlaufbahn. Bei einer Live-Übertragung aus der Apollo-Kommandokapsel lasen die Astronauten Frank Borman, James Lovell und William Anders die Schöpfungsgeschichte aus der Bibel und Anders machte das berühmte Foto von der über dem Mondhorizont aufgehenden Erde machte („Earthrise“). Das ist natürlich eine Steilvorlage: Fast immer findet sich eine Redaktion, die versucht, das ins Religiöse hinein zu instrumentalisieren. Dumm nur, dass sich der überzeugte Katholik William Anders nach den sechs Tagen im All von der Religion lossagte.
Astronauten werden am Himmel zu einsichtigen Mahnern.
hr Sendung „Raumschiff Erde“
In diesem Jahr versucht „hr2 Camino – Religionen auf dem Weg“ (auf dem Weg wohin eigentlich?), den Berichten der Astronauten einen irgendwie religiösen Hauch zu verleihen. In der Sendung „Raumschiff Erde – Wie der Blick auf den Heimatplaneten die Seele berührt“ am 3.12.2023 ist „von fast schon theologischen Dimensionen“ die Rede und „Astronauten werden im Himmel zu einsichtigen Mahnern“. „Zahlreiche Ökologen, Philosophen und Anthropologen sind in Zeiten globaler Krisen davon überzeugt, dass an deren Wurzeln eine gefährliche Fehlwahrnehmung aus der Zeit der Aufklärung (…) liegt.“ Allerdings ist in 26 Minuten Sendezeit in allen Interviewschnipseln von Astronauten nur ein einziger erstaunten Ausruf („Subhanallah“, „Gepriesen sei Gott“) eines saudischen Astronauten zu finden.
Sind wir wirklich so besonders? Ich glaube nicht.
William Anders, Astronaut Apollo 8
Stattdessen äußerte William Anders am 7. Dezember 2012 in der Seattle Times: „Als ich zurückblickte und diese winzige Erde sah, hat das mein Weltbild erschüttert (…) Hier sind wir, auf einem physikalisch unbedeutenden Planeten, der um einen nicht besonders bedeutenden Stern kreist, um eine Galaxie mit Milliarden von Sternen, die keine besonders bedeutsame Galaxie ist – in einem Universum, in dem es Milliarden und Abermilliarden von Galaxien gibt. Sind wir wirklich so besonders? Ich glaube nicht.“ Und weiter, zur Auswahl der Schöpfungsgeschichte: „Borman, dem Kommandanten des Fluges, war geraten worden, sich bei dieser Gelegenheit etwas Denkwürdiges einfallen zu lassen. Er wählte die Genesis eher wegen ihrer Poesie als wegen ihrer Frömmigkeit. Die Botschaft sollte universell sein.“
In der Ankündigung der Sendung heißt es übrigens: „Der jüngst verstorbene Astronaut William Anders war es, der während des legendären ersten Flugs zum Mond das erste Bild einer über dem Mond aufgehenden Erde machte.“ William Anders hat allerdings am 17. Oktober 2023 gerade seinen 90. Geburtstag gefeiert und ist nach wie vor quicklebendig. Verstorben ist dagegen am 7. November 2023 sein ehemaliger Kollege und Kommandant von Apollo 8, Frank Bormann.