Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Dieser Satz des amerikanischen Philosophen, Schriftstellers und Literaturkritikers George Santayana ist heute so aktuell wie nie. Demokratie, Menschenrechte und Humanismus sind nicht selbstverständlich, sondern mussten erkämpft werden. Und wie wir heute feststellen, sie müssen auch verteidigt werden. Wie wichtig das Erinnern ist, konnten Mitglieder der Humanistischen Gesellschaft Hessen (HuGH) beim einer Führung zum Geschichtsort Adlerwerke am Samstag aus erster Hand erleben. Organisiert wurde der Besuch von der Ortsgemeinschaft Frankfurt / Gießen der HuGH.
Die Adlerwerke sind in Frankfurt bekannt und ihr Schriftzug am Fabrikgebäude weithin sichtbar. Weniger bekannt ist, dass in dem Werk mitten im Gallusviertel seit 1942 Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter eingesetzt wurden und dass es hier von August 1944 bis März 1945 ein Konzentrationslager gab: das KZ Katzbach, ein Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof. 1612 vorwiegend junge polnische Männer, inhaftiert nach dem Warschauer Aufstand, wurden von der Betriebsleitung der Adlerwerke im KZ Dachau eigenhändig für diesen Einsatz ausgesucht. Die Gefangenen waren im dritten und vierten Stock des Fabrikgebäudes unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht. Tatsächlich war das KZ Katzbach eines der tödlichsten Außenlager: Von den 1612 Häftlingen starb etwa ein Drittel während der nur achtmonatigen Existenz des Lagers. Viele weitere kamen beim Todesmarsch nach der Räumung ums Leben, kurz bevor die Alliierten in Frankfurt eintrafen.
Besonders erschütternd: Alle Verantwortlichen gingen straffrei aus. Ernst Hagemeier, Generaldirektor der Adlerwerke und unmittelbar verantwortlich für den Einsatz der Häftlinge, konnte seine alte Führungsposition nach dem Krieg wieder einnehmen und erhielt 1953 sogar das Bundesverdienstkreuz für den Wiederaufbau der Hessischen Wirtschaft. Erst seit 2022 erinnert der Gedenkort Adlerwerke mit einer Ausstellung an das Schicksal der Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge in den Adlerwerken.
Die Führung durch eine Historikerin des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945 bot den 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit, das Gebäude von außen zu besichtigen und anschließend die Ausstellung mit vielen Bild- und Tondokumenten anzuschauen. Besonders spannend: die interaktive Karte mit Orten in Frankfurt, an denen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt worden sind. Fazit: Manchmal ist die Geschichte eben doch nicht ganz vergangen und Erinnern ist wichtiger denn je.
Mehr Infos:
Initiative gegen das Vergessen: KZ Adlerwerke
Website des Geschichtsorts Adlerwerke
Frankfurter Rundschau: Geschichte des KZ Katzbach in Frankfurt aufarbeiten