Der Reformationstag – ein Feiertag zum Fremdschämen

Am 31. Oktober ist nicht nur Halloween, sondern auch Reformationstag. Seit der Wiedervereinigung ist er in den ostdeutschen Bundesländern ein Feiertag, seit 2018 auch in Norddeutschland. Nur nicht in Berlin und Hessen. Und selbst wenn’s wehtut: Das ist gut so. Denn auch wenn man als arbeitender Mensch für jeden Feiertag dankbar ist, bei Luther vergeht einem schon mal die Feierlaune. 

Man soll Ihre Synagogen anzünden und was nicht brennen will, mit Erde überhäufen und überschütten.

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Trotz solcher Aussagen ist der Reformator aus dem Lutherjahr 2017 nahezu unbeschadet hervorgegangen. Statt ihn einer genaueren Kritik zu unterziehen und festzustellen, dass er als Vorbild im 21. Jahrhundert nicht mehr taugt, wurde er mit einem Feiertag gewürdigt. Anstatt dass man sich die Hetzpredigten des ehemaligen Augustinermönches mal genauer anschaute, gab es nur zaghafte Proteste. Zum einen von den Katholiken, die in ihm den Spalter der Christenheit sahen, und von den jüdischen Gemeinden in Deutschland, die auf seine antisemitischen Äußerungen hinwiesen, sehr zu Recht. Noch Jahrhunderte nach seinem Tod hat Luther so einige inspiriert.

Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach der die Dämmerung, sah er den Juden, wie wir ihn heute zu sehen beginnen.

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Luther-Denkmal vor der Frauenkirche in Dresden
Aufschauen zu Luther? Lieber Nicht.

Trotz des unverhohlenen Antisemitismus hatte die Politik in Gestalt der Landesregierungen bei Luther keinerlei Berührungsängste. Wie so oft meinten sie wohl, dass das Arbeitsvolk den Drops schon freudig lutschen würde, frei nach dem Motto: Mit Speck fängt man Mäuse. Zumal die Katholiken am 1. November Allerheiligen feiern. Da ist der Reformationstag für die Evangelen eben der gerechte Ausgleich. Die säkulare Mehrheit wurde – wie so oft – ignoriert. Denn Allerheiligen abschaffen – was genau feiert man da eigentlich? – und einen für alle geltenden säkularen Feiertag ins Leben rufen, das hätte zu viele Gemüter erregt. Weil ja bekanntlich an Allerheiligen alle Katholiken in die Kirche gehen, manche zwei- oder dreimal. Nein, Scherz.

Nun hat sich der Luther-Hype mittlerweile wieder gelegt. Gab es 2017 am 31. Oktober noch satte 50 Stunden Fernsehprogramm rund um den radikalen Reformator, so sind es 2023 noch gerade mal 1,5 Stunden in Form des in der ARD übertragenen Reformationsgottesdienstes. Bleibt abzuwarten, wie viele evangelische Christen sich an dem Tag in ihre Kirche verirren.

Was Hitler getan hat, hat Luther geraten, mit Ausnahme der direkten Tötung durch Gaskammern.

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Die gute Nachricht: Bekanntlich kann man den Tag auch ganz anders begehen, denn der 31. Oktober ist zugleich Halloween. Der „All Hallows’ Eve“ geht zurück auf das keltische Fest „Samhain“, das schon 500 v.u.Z. gefeiert wurde, und zwar am keltischen Neujahr, dem 31. Oktober. Konsequenterweise warnt daher auch die Catholic News Agency die Christen vor Halloween mit den Worten: „Gemäß dem Zeugnis einiger Personen, die Satanismus betrieben und sich dann zum Christentum bekehrt haben, ist Halloween das wichtigste Fest für manche dämonischen Kulte, denn es ist der Beginn eines neuen satanischen Jahres und eine Art ‚Geburtstag des Teufels’“.

Natürlich hat auch die evangelische Kirche verstanden, dass sie mit Halloween eine starke Konkurrenz zum Reformationstag hat. Und sie reagiert darauf wie immer: Umarmen, erdrücken und dann als eigene Erfindung verkaufen. Hat schon bei Weihnachten und Ostern geklappt, machen wir einfach noch mal. Besonders bizarre Blüten treibt sie es mit der Website „Lutherbonbon“ (https://www.lutherbonbon.de/), die ihren Namen von den „Luther-Bonbons“ ableitet, Drops in den Geschmacksrichtungen Zitrone und Orange, „die den Kindern gleich beides bieten: Süßes und Saures“. 

Und mal wieder fragt man sich: Kann man die überhaupt noch ernst nehmen?

Martin Luther – Von den Juden und ihren Lügen
Luthers judenfeindliche Schriften, Band 1
Alibri Verlag

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