Warum glaubst Du nicht an das, was in der Bibel oder dem Koran steht?
Ich denke, dass eher diejenigen, die an die Inhalte heiliger Bücher glauben, erklären müssten, warum sie an diese glauben. Die Beweislast liegt bei denen, die etwas behaupten, zum Beispiel die Existenz Gottes, nicht bei denen, die das bezweifeln. Und nur weil viele an etwas glauben, heißt das noch lange nicht, dass es der Realität entspricht. Auf diese verquere Denkweise trifft man als gottloser Mensch bei Gläubigen leider sehr häufig. In der Wissenschaft muss eine Behauptung falsifizierbar sein, sonst ist sie beliebig und trägt nicht zum Erkenntnisgewinn bei.
Davon abgesehen, sind sowohl die Bibel als auch der Koran ganz klar das Produkt von Menschen. Das lässt sich gut daran erkennen, dass sich in ihnen zum einen ihre Entstehung einem bestimmten geschichtlichen Kontext widerspiegelt. Und zum anderen findet man in den heiligen Büchern sowohl sehr humanistische Gedanken wie auch extrem abschreckende, brutale Aussagen – eben die gesamte Spannbreite menschlichen Verhaltens.
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Was könnte Dich davon überzeugen, dass es Gott wirklich gibt?
Wenn es in einem Experiment, das wissenschaftlichen Standards genügt, nachgewiesen wird. Nur weil wir für irgendetwas heute noch keine schlüssige Erklärung haben, heißt das noch lange nicht, dass es nicht grundsätzlich erklärt werden kann. Man muss nur ein paar Jahrhunderte zurückblicken auf das damalige Weltbild, um das zu erkennen. Persönliche Erweckungserlebnisse überzeugen mich nicht, dafür gibt es sehr gute Erklärungen aus dem Bereich Kognitionswissenschaften.
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Willst Du nicht lieber an Gott glauben, für den Fall, dass es ihn gibt?
Nein. Pascals Wette, wonach es mehr Sinn macht an Gott zu glauben als es nicht zu tun, weil die Wahrscheinlichkeit, am Ende auf der richtigen Seite zu stehen, größer ist, finde ich eher abstoßend. Außerdem kann ich nicht einfach so tun, als ob. Dazu müsste ich mich erstmal selbst belügen.
Vermisst Du nicht jemanden an Deiner Seite, der in den schweren Zeiten für Dich da ist, und der immer zu Dir hält und Dich so liebt, wie Du bist?
Ja, und ich vermute, dass dieses tiefsitzende, urmenschliche Bedürfnis danach, geliebt zu werden, egal wie man ist oder was man tut, für viele Menschen etwas ist, das sie bei einem Gott Trost suchen lässt. Das kann ich nachvollziehen, aber es kommt mir doch auch sehr wie kindliches Wunschdenken vor. Sehr kleine Kinder werden vielleicht so bedingungslos geliebt, aber wenn wir älter werden, müssen wir lernen, Verantwortung für uns und unsere Entscheidungen und Handlungen zu übernehmen. Gott hat mich lieb, egal was ich getan habe? Klingt für mich nach einem Angebot mit extremem Suchtpotential, zu gut um wahr zu sein.
Hast Du keine Angst vor dem Tod?
Nicht vor dem Tod an sich. Bei „Life of Brian“ heißt es ja: Du kommst aus dem Nichts, Du gehst ins Nichts, was hast Du verloren? Nichts!“ Was mir Angst macht sind Leid, Schmerzen und Siechtum vor dem Tod. Und der Gedanke, kurz vor dem Tod, dass mein Leben jetzt endgültig vorbei ist, das Ende aller Möglichkeiten.
Was, denkst Du, passiert nach Deinem Tod?
Die Gewebe und Zellen zerfallen, und mit dem Ende meines Körpers endet auch mein Bewusstsein. Die Moleküle und Atome, die meinen Körper gebildet haben, werden zu neuen, anderen Dingen. Nichts im Universum vergeht vollständig, es wandelt nur seine Form. Ich fand immer den Gedanken schön, dass wir alle Sternenstaub sind, denn jedes Atom im menschlichen Körper war einmal Teil eines Sterns. Und nach meinen Tod werden die Atome, die einmal mein Körper waren, neue Konstellationen bilden.
Gibt es dir nicht zu denken, dass die Welt so präzise gestaltet ist? wenn man nur eine einzige Naturkonstante verändern würde, also zum Beispiel die Schwerkraft nur ein winziges Bisschen verringern würde, dann wäre kein Leben mehr möglich.
Ich bin kein Astrophysiker, von daher kann ich die aktuellen Diskussionen in der Wissenschaft nur annähernd verstehen. Aber man ist sich wohl nicht 100%ig sicher, dass die Naturkonstanten in unserem Universum sich nicht doch im Laufe der Zeit seit dem Urknall leicht verändert haben. Und vielleicht gibt es auch Multiversen mit ganz anderen Naturkonstanten? Und was wäre so schlimm daran, wenn wir das Produkt des Zufalls wären?
Aber in jedem Fall finde ich es unlogisch, von der Existenz des Menschen auf eine Absicht oder einen Schöpfer zu schließen. Warum sollte ein Schöpfer ein Universum erschaffen, dass fast 13,5 Milliarden Jahre braucht, bis der Mensch erscheint? Vergleicht man diese Zeit mit einem Jahr, so betritt der Mensch am 31.12. am späten Abend die Bühne. Bisschen viel Aufwand für ein ziemlich maues Ergebnis, finde ich.
Wie kann etwas aus Nichts entstehen?
Wenn ich Einstein (E= mc2) halbwegs richtig verstehe, dann sind Masse und Energie dasselbe. Am Anfang war das Universum auf kleinstem Raum zusammengeballt und expandiert seitdem. Das heißt aber nicht, dass es aus dem Nichts entstanden ist. Von daher würde ich sagen, dass etwas nicht einfach aus Nichts entstehen kann. Es gab irgendwas vor dem Urknall und vielleicht finden wir das irgendwann heraus. Bis dahin kann ich mit dieser Unwissenheit gut leben.
Kannst Du Dir wirklich vorstellen, dass die Menschen von Affen abstammen?
Genau genommen stammen wir nicht von Affen ab. Menschen und Affen sind beide Primaten und haben einen gemeinsamen Vorfahren, der vor ca. 6 Millionen Jahren gelebt hat. Im Laufe dieser Zeit haben sich verschiedene Menschenarten entwickelt, u.a. der Neandertaler, aber nur der Homo sapiens sapiens (= wir) hat sie alle überlebt (obwohl wir alle auch Gene des Neandertalers In uns tragen). Tatsächlich ähneln wir Menschen in unserem Verhalten sehr den anderen Primaten, denn wir sind ein Produkt der Evolution und in vielen Dingen nicht so einzigartig, wie wir gerne denken.
Fun Fact: Wenn man im Stammbaum des Lebendigen nur weit genug zurückgeht, dann stellt man fest, dass auch Menschen und Blumenkohl verwandt sind, wenn auch sehr, sehr entfernt. Alles Lebendige ist miteinander über den Stammbaum des Lebens verbunden, das finde ich einen schönen Gedanken.
Wie unterscheiden Menschen Gut von Böse, wenn uns Gott dies nicht tief in unsere Seele geschrieben hat?
Ich denke, dass die Fähigkeit des Menschen, moralische Entscheidungen zu treffen, einerseits durch die Evolution (nature) angelegt ist. Grundlagen von Moral, wie Empathie, ein Gerechtigkeitsempfinden und Altruismus finden sich auch bei Tieren, vor allem bei Primaten. Das bedeutet, das Moral auf individueller Ebene, und wahrscheinlich auch auf Gruppenebene, ein evolutionären Vorteil gewesen sein muss.
Darüber hinaus wird das moralische Empfinden aber auch massiv durch die Kultur der Gruppe, in die wir hineingeboren werden, geformt (nurture). Dies kann man sehr gut daran sehen, wir wir Gewalt beurteilen. Vor 500 Jahren waren Folter, grausame Hinrichtungsarten und Hexenverbrennungen normal. Sklaven, Frauen, Kinder und Tiere konnten fast nach Belieben misshandelt werden. Heute ist das in den meisten Gesellschaften absolut undenkbar. Auch wenn die Moral beim Mensch ein biologisches Fundament hat, wie sie sich ausprägt, ist vom Kontext und auch von individuellen Voraussetzungen des einzelnen Menschen, seinen genetischen und epigenetischen Eigenschaften, abhängig. So lassen sich z.B. bei Psychopathen Veränderungen in bestimmten Hirnarealen nachweisen, deren Funktionieren für moralisches Verhalten erforderlich sind. So kommt man von der Frage der Moral zur Frage des freien Willens, den ja bereits Kant angezweifelt hat.
Was denkst Du denn, warum so viele Dinge (Heilungen, Rettungen, Naturphänomene) passieren, die sich auch die Wissenschaft nicht erklären kann?
Genauer gesagt: die die Wissenschaft heute noch nicht erklären kann. Wenn wir uns den Wissenstand vor 5, 50 oder 500 Jahren anschauen, dann sieht man, wie rasant das menschliche Wissen gewachsen ist. Zudem sind Dinge, die einzigartig erscheinen, es bei näherem Hinschauen gar nicht. Über spektakuläre Rettungen wird in den Medien berichtet, aber all diejenigen, die nicht gerettet wurden, verschwinden im Dunkel der Geschichte. Wenn man das Gesamtbild anschaut, sind die paar Rettungen dann gar nicht spektakulär, sondern einfache Statistik. Besonders merkwürdig finde ich es, wenn die wenigen Überlebenden einer Katastrophe Gott danken – müsste man nicht eher wütend auf ihn sein wegen der vielen, die nicht überlebt haben? Ich halte es lieber mit Occam’s Razor: Von mehreren möglichen Erklärungen für einen Sachverhalt ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen. Gott als eine komplett unbewiesene Erklärung ist definitiv nicht die einfachste Theorie, sondern verschiebt nur das Unerklärliche in eine neue Entität, die wiederum erklärt werden müsste.
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